...dürfen wir nun den Artikel auch euch zur Verfügung stellen.
Vielen Dank für den Hinweis, Roman!
„Viele Vereine haben keine mittelfristigen Strategien“
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Detlev Kreysing |
Dieses Interview stammt aus dem Stadionwelt-Themenspecial „Tennis“, das Sie hier kostenlos als PDF herunterladen können.
Stadionwelt: Herr Kreysing, bitte beschreiben Sie Ihre Aufgaben.
Kreysing: Das übergeordnete Ziel bei allen meinen Aktivitäten ist es, den Vereinen und ihren Funktionären dabei zu helfen, Mitglieder zu gewinnen und zu binden. Ein zentrales Thema ist das Marketing, darüber hinaus bin ich im Rahmen der Vereinsberatung mit mehreren Außendienst-Mitarbeitern für unsere Informations- und Betreuungs-Angebote zuständig. So komme ich auch zu meinem Know-how über die Vereine.
Stadionwelt: Welches sind die vordringlichsten Probleme?
Kreysing: Die Vereine sehen sich in einer existenziellen Not, und dies untermauert auch der Sportentwicklungsbericht des DOSB. Die Finanzlage ist schwierig und die Motivation im Ehrenamt sinkt. Ein Problem ist darüber hinaus die hohe Fluktuation auf allen Entscheider-Ebenen in den Vereinen. Unter diesen Voraussetzungen ist es für die Vorstandsebene und Ausführungsebene schwer, ein attraktives Vereinsleben aufrecht zu erhalten.
Stadionwelt: Der Tennis-Boom mag in Deutschland erst einmal vorbei sein. Dennoch ist dieser Sport nach wie vor weit verbreitet.
Kreysing: Auf jeden Fall. Tennis ist die drittgrößte Sportart in Deutschland. Und Tennis wird immer attraktiv bleiben. Wenn in einem Verein die Vorstandsebene und die Trainer gut zusammenarbeiten, wird der Andrang dort so groß, dass bald der Aufnahmestopp verhängt wird. Um die richtigen Ansätze zu finden, müssen die Beteiligten verstehen, dass Tennis sich vom Nachfragemarkt zum Anbietermarkt entwickelt hat. Man kann nicht als gegeben voraussetzen, dass einerseits die Mitarbeiter im Verein wissen, wie es geht und andererseits die Mitglieder von selbst kommen. Als Vereinsberater motivieren und betreuen wir das Ehrenamt. Zur Mitgliedergewinnung und -bindung bringen wir Programme auf den Weg, wie zum Beispiel „Talentinos“. So sollen Eltern und Kinder zum Jugendsport gebracht werden.

Bild: Stadionwelt
Stadionwelt: Welchen Anteil an den finanziellen Problemen haben die Platzanlagen?
Kreysing: Die Infrastruktur ist als Kostenverursacher ein großer Posten bei der Finanzlage. Laut einer Erhebung in Mittelfranken 2007, die ich unter 99 beteiligten Vereinen durchgeführt habe, beträgt der Kostenanteil des Etats für die Platzanlage mitsamt Platzwart 42 bis 43 Prozent. Angesichts rückläufiger Mitgliederzahlen und stagnierenden Mitgliedsbeiträgen setzen viele Vereine damit an, den Platzwart einzusparen.
Stadionwelt: Ist die Qualität der Anlage nicht ein ganz zentrales Argument für einen Verein? Kann es funktionieren, an dieser Stelle zu sparen?
Kreysing: Viele Anlagen sind in die Jahre gekommen. Die Neubauten aus der Zeit, als Tennis in Deutschland einen Boom erlebte, sind jetzt 20 bis 25 Jahre alt und damit reif für eine Generalsanierung. Es kommen aber keine Zuschüsse mehr, die Mitglieder sind weniger geworden und die Aufnahmegebühr ist fast abgeschafft, also tun sich die Vereine schwer, das zu finanzieren. Es ist letztendlich nicht der richtige Weg, beim Fachpersonal zu kürzen, aber das Ehrenamt hat nicht die Zeit, sich professionell auszubilden und neigt dazu, die nächstbeste Lösung zu wählen oder notwendige Schritte zu verschieben.
Stadionwelt: Welche Lösungsansätze bieten Sie?
Kreysing: Man muss hierbei die Haushalte der Vereine betrachten. Auf der Einnahmen-Seite machen die Mitgliedsbeiträge heute im Schnitt 65 Prozent aus, in den 1990er Jahren waren es noch 80 Prozent. An zweiter Stelle stehen Spenden in unterschiedlicher Höhe, auf dem dritten Platz folgt die Gastronomie mit rund 5 Prozent, dann kommen Zuschüsse mit etwa 4 Prozent und das Sponsoring mit cirka 2,5 Prozent.
Mehr Einnahmen erzielt man, wenn mehr Leute Tennis spielen, aber auch die anderen Einnahmequellen haben Potenzial. Wenn man ein gutes Konzept für die Gastronomie findet, ist hier viel machbar, und mehr Betrieb in der Gastwirtschaft führt am Ende auch zu mehr Tennis-Spielern. Ich bin außerdem der Meinung, dass bei den Sponsoring-Einnahmen noch mehr herauszuholen wäre. Einige Vereine bestreiten ihren Etat fast gänzlich ohne Sponsoren. Ziel muss es für die Vereine sein, eine verursachergerechte Beitragsordnung zu finden. Zum Beispiel müssen Wettkampfspieler einen höheren Beitrag zahlen als Mitglieder, die nur einmal die Woche am Vormittag Tennis spielen.
Stadionwelt: Wie lockt man neue Mitglieder in den Verein?
Kreysing: Viele Spieler sind nicht organisiert, wollen sich nicht an einen Verein binden. Durch Angebote für Nichtmitglieder muss der Verein sich öffnen und die Gebühren anpassen. Durchschnittlich kostet die Platzmiete 3,50 Euro. Das ist zu wenig! Es müssten pro Person 10 Euro pro Stunde sein. Ab einer solchen Schwelle rechnet jeder Gast auch nach und überlegt sich, ob sich nicht doch der Beitritt lohnt. Um die Auslastung zu verbessern, kann man sich auch öffnen und zum Beispiel per Online-Booking den Leuten im Ort Plätze anbieten. Ein weiterer Anreiz kann es sein, Trainingsangebote speziell für Wiedereinsteiger zu schaffen und ein solches Paket auch als Einstiegsangebot zu präsentieren, anstatt mit dem Jahresbeitrag eine Hürde aufzustellen.
Stadionwelt: Gibt es einen empfohlenen Wert für die Höhe des Mitgliedsbeitrags – und wie viele Mitglieder pro Platz sind aus wirtschaftlichen Überlegungen optimal?
Kreysing: Aus unserer Studie in Mittelfranken konnten wir ermitteln, dass der Jahresbeitrag für Kinder und Jugendliche bei 39 Euro liegt und für Erwachsene bei 110 Euro. Aus dem Verhältnis Mitglieder/Plätze lässt sich kein klarer Break Even ermitteln. Aktuell kommen auf jeden Platz gut 38 Mitglieder, in der Hochzeit des Tennis lag der Wert bei über 50. Aber hieraus ergibt sich noch kein Index, ob eine Vereinsanlage sich trägt.

Bild: Stadionwelt
Stadionwelt: Lohnen sich heutzutage Investitionen in neue Hallen?
Kreysing: Aktuell und zukünftig ist es ein großes Problem, eine Tennis-Halle zu finanzieren. Nicht nur wegen der hohen Investitionskosten, die der Verein aufbringen muss, sondern auch wegen der hohen Energiekosten im Betrieb. Technologien, die diese reduzieren, kosten zunächst auch erst einmal Geld. Der Verein muss Kredite aufnehmen. Traglufthallen haben den Vorteil der Flexibilität, es ist aber immer die Frage, ob der Platz dann tatsächlich ganzjährig bespielbar ist. Oft verträgt ein Sandplatz dies nicht und wird trotz Renovierung erst im Herbst wieder hart.
Um eine Tennis-Halle wirtschaftlich darstellbar zu machen, müssen die Stunden-Preise angepasst werden. Ein Verein sollte unbedingt einen guten Trainer einbinden, der als Manager fungiert und ein attraktives Ganzjahres-Programm anbietet, mit dem auch die Qualität der Halle in den Vordergrund tritt.
Stadionwelt: Gibt es im Sinne der ganzjährigen Bespielbarkeit Alternativen zur Halle?
Kreysing: Ich bin davon überzeugt, dass die Winter in Zukunft milder werden. Um als Verein attraktiv zu sein, würde ich Ganzjahresplätze anlegen, die auch im Winter bespielbar sind. Dies wäre auch ein entscheidendes Argument für eine Mitgliedschaft im Verein. Es gibt ja Sandplatz-Lösungen, die dies ermöglichen. Wenn nicht gerade Minus-Grade herrschen oder es schneit, kann man draußen spielen. So können die Mitglieder ganzjährig Tennis spielen, ohne eine hohe Hallenmiete pro Stunde zu zahlen.
Stadionwelt: Sind Investitionen in Flutlicht-Anlagen ein Mittel, um die Nutzungsintensität der Platzanlage zu steigern?
Kreysing: Theoretisch ja, und wenn man den konkreten Bedarf hat, ist in einigen Fällen das Flutlicht vielleicht auch wichtig, um etwa Trainingsprogramme unabhängig von der Tageszeit durchführen zu können. In der Breite wird das Flutlicht eher auf öffentlichen Plätzen angeboten, weil es beim Bau einer Anlage gleich mit installiert wird. Bei den Vereinen beobachte ich eher, dass Flutlicht-Plätze selten genutzt werden. In Spanien ist das selbstverständlich ganz anders, aber in Deutschland geht man nicht um 21 Uhr Tennis spielen.
Stadionwelt: Sollte man als Verein darüber nachdenken, mit Mehrzweckplätzen oder Beach-Courts zusätzliche Anreize zu schaffen?
Kreysing: Eine solche Produktdiversifikation ist grundsätzlich immer eine gute Idee für mehr Betrieb. Aber auch ein Beach-Court kostet erst einmal Geld. Und der nächste Punkt ist, dass man auch hier ein Konzept haben muss mit Trainings, Turnieren, Ranglisten und sonstigen Aktionen. Man muss zudem kritisch hinterfragen, ob man nicht in erster Linie Kunden anzieht, die gar keine Vereinsbindung entwickeln. Es kommt hierbei immer auch darauf an, in welchem Umfeld man sich platziert, ob vor Ort überhaupt noch Bedarf bestehen könnte.
Stadionwelt: Welchen Anteil hat bei den Außenanlagen in Deutschland der Ziegelmehl-Sandplatz?
Kreysing: Der klassische Sandplatz hat in Deutschland mindestens einen Anteil von 99 Prozent, danach kommt, jedenfalls in Bayern, wo ich tätig bin, der Kunstrasen mit Quarzsand-Verfüllung. Den muss man nicht wässern, und er ist auch draußen ganzjährig bespielbar. Für den Hartplatz ist vor allen die Tatsache, dass die Altersspirale im Tennis nach oben geht, ein K.o.-Kriterium. Die Senioren sind da extrem sensibel, die Akzeptanz des Hartplatzes geht gegen Null. Aus den zuvor genannten Gründen und weil auf diese Weise auch Wasser und Pflegeaufwand gespart werden kann, gehe ich davon aus, dass der Anteil des Allwetter-Sandplatzes noch steigen kann.

Bild: BTV
Stadionwelt: Sie erwähnten, dass die Vereine bei den Unterhaltskosten ansetzen, um zu sparen. Wie viele kommen in der Praxis ohne Platzwart oder externe Fachbetriebe aus?
Kreysing: Mir liegen keine genauen Zahlen vor, ich gehe aber davon aus, dass cirka 50 Prozent der Vereine die Instandsetzung selbst vornehmen. Jedenfalls herrscht immer Hochbetrieb, wenn wir die Platzpflege-Seminare anbieten, am liebsten wollen es alle selbst machen.
Die Einwinterung und Frühjahrsinstandsetzung kann man selbst erledigen, sofern die Plätze in einem entsprechenden Zustand sind und keine größeren Probleme vorliegen – aber nur nach einem Seminar und mit einem sehr gut geschulten Team.
Stadionwelt: Bitte fassen Sie die Fehler, die Sie in den Vereinen am häufigsten beobachten, abschließend zusammen.
Kreysing: Viele Vereine arbeiten nicht gezielt und haben keine mittelfristigen Strategien. Man muss aber klare Ziele haben und eine Philosophie. Wenn man Mitglieder hinzugewinnen möchte, muss zunächst einmal definiert werden, an welche Altersklasse man sich wendet und welchen Weg man einschlagen möchte – geht dieser in Richtung Breitensport und Familie oder in Richtung Wettkampf und Leistungssport? Will ich zehn neue Familien gewinnen, ist zu prüfen, welche Dienstleistungen, Infrastruktur und welches Personal habe ich im Verein? Die Mitglieder sind Konsumenten-orientierter als früher. Sie müssen mehr geboten bekommen, während die Bereitschaft zur Mitarbeit nachgelassen hat.
Das größte Ziel ist es immer, Einsparungen bei den Infrastrukturen, vor allen Dingen bei der Platzanlage, zu machen. Man müsste hierzu natürlich die Energiekosten und den Wasserhaushalt unter die Lupe nehmen.
Stadionwelt: Sie bieten Ihren Service für die Clubs in Bayern an. Koordinieren Sie die Vereinsberatung mit den anderen Verbänden, können die Vereine überall an Berater herantreten?
Kreysing: Die Vereinsberatung beschränkt sich nur auf den Service für die BTV-Mitgliedsvereine in Bayern. Viele Projekte und Ideen werden nach und nach national von den anderen Landesverbänden umgesetzt, wie zum Beispiel „talentinos“ und „Jugend-Tennis-Tag“. Ich denke, das System der Vereinsberatung sowie die Regionalen Vereinsberater, die den persönlichen Kontakt zur Ausführungsebene der Vereine herstellen, ist einzigartig in Deutschland und wird bestimmt noch einige Bundesländern Nachahmer finden. (Stadionwelt, 10.08.2011)
Dieses Interview stammt aus dem Stadionwelt-Themenspecial „Tennis“, das Sie hier kostenlos als PDF herunterladen können.